Werkbeschreibungen

1. René Duclos: „Pièce brève“ (Kurzes Stück), Leduc 1951 Der in Bordeaux geborene Komponist René Duclos (1899-1964) war Schüler von Paul Dukas, dem Schöpfer des „Zauberlehrling“. Sein „Pièce brève“ folgt dem dreiteiligen Schema ABA‘. Über wiegenden Begleitfiguren schwingt das zarte Allegretto-Thema in weiten Bögen. Sechzehntelmotive und pulsierende Achtelfigurationen kennzeichnen den Beginn des Mittelteils (Allegro scherzando). Nach dialogisierenden Elementen zwischen Saxophon und Klavier schließt das Hauptthema variiert an und wird in der Coda satztechnisch reduziert.

2. Marc-Carles: „Cantilène“, Leduc 1963 Das Schaffen des 1933 im französischen Castres geborenen Marc-Carles zeichnet sich durch lyrische Qualitäten aus. Dem Stück „Cantilène“ liegt eine zweiteilige Form zu Grunde. In wachsender Eindringlichkeit deklamiert das Saxophon über statischen Akkordrückungen im Klavier. Diese werden im A‘-Teil durch triolische Auflösung belebt. Der Satz verdichtet sich durch den Kanon des Themas zwischen Klavier und Saxophon. In der Coda zitiert das Klavier den Höhepunkt des Stückes im pp, ehe die „Cantilène“ mit den Akkordrückungen des Anfangs verlöscht.

3. André Jean Dervaux: „Petite suite en saxe“ (Kleine Suite für Saxophon), Billaudot 1970 Im Werkverzeichnis des 1918 geborenen Komponisten A. J. Dervaux finden sich diverse Stücke für Saxophon. Seine „Petite suite en saxe“ baut auf der ABA-Form auf. Die schlichte Melodie des ersten Teils gliedert sich klassisch in viertaktige Perioden. Einen Kontrast setzen die pulsierenden Achtel im bewegteren Mittelteil.

4. Albert Beaucamp: „Chant élégiaque“ (Wehmütiger Gesang), Leduc 1951 Dem französischen Dirigenten und Komponisten A. Beaucamp (1921-1967) bescheinigt P. Pitton „solide geschriebene Werke, oft voller Esprit“. Der „Chant élégiaque“ ist ein sehr getragenes Stück, in dem farbenreiche Klänge im Klavier einer sehnsuchtsvollen Saxophonmelodie unterlegt sind. Im Mittelteil (Takt 27ff.) übernimmt das Klavier mit einem neuen melodischen Gedanken die Führung. Nach einer kurzen Reprise des A-Teils verklingt das Stück sanft mit dem Beginn des Hauptthemas.

5. Eugène Bozza: „Parade des petits soldats“ (Parade der kleinen Soldaten), Leduc 1964 E. Bozza (1905-1991) war Dirigent, Komponist und zuletzt Direktor des Konservatoriums von Valenciennes. Sein Ruhm gründet sich neben Opern, Balletten und großen symphonischen Werken hauptsächlich auf Kammermusik für Bläser, für deren instrumentale Möglichkeiten er ein besonderes Gespür hatte. Trompetensignale leiten den kleinen Marsch „Parade des petits soldats“ ein. Innerhalb der ABA‘-Form werden im Mittelteil Fanfarenmotive echoartig imitiert.

6. Eugène Bozza: „Rêves d’enfants“ (Kinderträume), Leduc 1964 Über einer sanft bewegten Begleitung entfaltet sich ein Wiegenlied in 6-taktigen Perioden. Demgegenüber steht ein B-Teil in der parallelen Molltonart d-Moll, der durch ein schnelleres Zeitmaß und harfenartige Akkordbrechungen die ruhige Stimmung des A-Teils trübt.

7. Eugène Bozza: „Petite gavotte“ (Kleine Gavotte), Leduc 1964 Der Tanzsatz lehnt sich mit seinen beiden auftaktigen Viertelnoten stark an den alla-breve-Charakter des barocken Vorbilds an. Der in Tonart und Melodieführung kontrastierende Mittelteil fungiert als Trio.

8./9. Jean Rucquois: „Andantino et chanson gaie“ (Andantino und lustiges Lied), Billaudot 1980* Von J. Rucquois sind verschiedene Kompositionen für Saxophon bei Billaudot verlegt. Das Andantino steht mit seinem Rhythmusschema (punktierter 6/8-Takt) in der Tradition des Siciliano. Die wiegende Melodie ist von schlichter Harmonik gestützt. In der Reprise übernimmt das Klavier für sechs Takte das Hauptthema. Das „Chanson gaie“ dagegen ist geprägt von einem ausgelassenen, eintaktigen Saxophonmotiv, das zusammen mit dem ostinaten Begleitrhythmus das spielerische Stück beherrscht.

Jean-Marie Londeix: „Tableaux Aquitains“ (Bilder aus Aquitanien), Leduc 1973 J.-M. Londeix (geb.1932) war Schüler von Marcel Mule, dem Grandseigneur des Klassischen Saxophons in Frankreich. Als Professor am Conservatoire de Bordeaux hat Londeix seinerseits wieder Generationen von Studenten maßgeblich geprägt und die Fachliteratur durch Originalkompositionen und Bearbeitungen klassischer Werke sowie durch methodische Arbeiten wie Schulen und Werksammlungen bereichert. In „Tableaux Aquitains“ vertont er vier Bilder seiner französischen Heimatregion.

10. „Bachelette“ (Junges Mädchen) Eine halbtaktig schwingende ostinate Begleitung erzeugt eine Klangfläche. Die darüber gesetzte modale Saxophonmelodie mit ihren improvisatorisch ornamentalen Elementen ist durch Taktwechsel dagegen verschoben. Es entsteht der Eindruck metrischer Freiheit. Eine deklamatorische Passage im Klavier leitet über zur tänzerischen Episode des più mosso, die bei aller Kürze durch Engführungen eine erstaunliche Dichte erfährt.

11. „La gardeuse de porcs“ (Die Schweinehirtin) Ein scherzhaftes Charakterstück, dem die nachschlagenden Achtel im Klavier einen leiernden Gestus verleihen. Auffallend ist die Beschränkung auf sparsamste Mittel im Saxophon: die Stimme kann sich aus der ständigen Repetition des h kaum lösen. Fast wie eine Befreiung wirkt da das Zitat eines Kinderlieds, das aber schon bald durch markante sfz-Schläge ins Stocken gerät.

12. „Le traverseur de landes“ (Der Wanderer) Der Wanderer ist wiegenden Schrittes unterwegs. Es wird sowohl eine Landschaft dargestellt als auch der Gemütszustand des Betrachters. Vor dem Hintergrund ostinater Begleitfiguren im Bass lösen sich Saxophon und Klavier in der Führung der Melodie ab.

13. „Le raconteur d’histoires“ (Der Geschichtenerzähler) Die heitere, volksliedhafte Melodie erfährt im Mittelteil eine Änderung der Stimmung mit dem Wechsel von Dur nach Moll. Als formaler Rahmen dient eine Gliederung in ABA.

14. Marcel Dautremer: „Rêverie interrompue“ (Unterbrochene Träumerei), Leduc 1954 Der Pariser Komponist und Dirigent M. Dautremer lebte von 1906 bis 1978. Er war Schüler von Paul Dukas. Seine Musik bedient sich einer melodiegeprägten, neoklassizistischen Sprache. Das viertaktige Hauptthema der „Rêverie interrompue“ wird anfangs von Akkordrückungen stereotyp begleitet. Klagende Motive, die imitatorisch verarbeitet sind, setzen den melodischen Fluss fort und münden wieder ins Hauptthema. Der Mittelteil hebt sich durch schnelleres Tempo (plus vite) und eine zupackendere Geste vom Anfang ab. Saxophon und Klavier spielen hier im Kanon miteinander. Die Reprise verkürzt die viertaktigen Anfangsgruppen auf zwei x drei Takte und klingt im nachahmenden Wechselspiel eines eintaktigen Motivs aus.

15. Pierre Auclert: „Comme un vieux Noël“ (Wie ein altes Weihnachtslied), Billaudot 1941/69 Der in Algerien geborene P. Auclert (1905-1975) war neben seinem Wirken als Komponist in Frankreich auch als Pianist tätig. In dem Stück „Comme un vieux Noël“ weisen Glockentöne im Klavier in Verbindung mit Anklängen an die Gregorianik auf einen antikisierenden Stil hin. Im Mittelteil übernimmt das Klavier die Melodie, während das Saxophon diese umspielt. Die Coda reduziert das ruhige Thema über einem Orgelpunkt.

Pierre Max Dubois: „Dix figures a danser“ (Zehn Tanzfiguren), Leduc 1962 P. M. Dubois (1930-1995) war Schüler von Darius Milhaud. Den „Grand Prix de Rome“ für Komposition erhielt er 1955. Er schrieb eine Vielzahl von Werken für Saxophon mit zumeist virtuosem Charakter. „Dix figures a danser“ trägt den Untertitel „Petit ballet“ (Kleines Ballett). Dubois fasst hier zehn charakteristische Tanzminiaturen, die auf historische Vorlagen zurückgehen, zu einer Suite zusammen.

16. „Gaillarde“ (franz. gaillard, munter, ausgelassen) Der im 16./17. Jahrhundert beliebte Springtanz im Dreiertakt erfährt hier eine Umarbeitung in den 4/4-Takt. Lebhafte Achtelketten und stampfende Begleitfiguren charakterisieren den kecken Eröffnungssatz.

17. „Danse gracieuse“ (Anmutiger Tanz) Über dissonierenden Glockenklängen im Klavier entfaltet sich eine ruhige Kantilene im Saxophon.

18. „Virelai“ (franz. virer, drehen) Das Virelai ist ursprünglich eine Reigenliedform. Das mehrstimmige Virelai des 14./15. Jahrhunderts wurde zur Ballade. Dubois schreibt über einer zweitaktigen stereotypen Bordunbegleitung im Klavier eine aufstrebende Melodielinie, deren Chromatik dem Stück einen schmerzlichen Ausdruck verleiht.

19. „Bransle“ (franz. branler, sich wiegen, wackeln, schütteln) Der Bransle ist ein lebhafter Tanz, hier mit derbem Charakter. Synkopierte Bassschläge zucken unter schnellen Akkordrepetitionen. Die Melodie ist von einem stetig wiederkehrenden Sechzehntelmotiv geprägt.

20. „Pavane“ (ital. pavone, der Pfau, oder abgeleitet von der Stadt Padua) Eine expressive Melodie entfaltet sich über ruhig schreitenden Akkorden. Die Deklamation des Saxophons steckt voll Sehnsucht.

21. „Passepied“ (franz. passer, treten, übersetzen; pied, der Fuß) Der schnelle auftaktige Tanz Passepied im ungeraden Takt hatte einen Vorläufer im 16. Jahrhundert in mäßigem Tempo und geradem Takt. Auf ihn scheint sich Dubois bezogen zu haben.

22. „Complainte“ (Klagelied) Über langsam schwingenden Akkorden erhebt sich ein Gesang. Das Saxophon trägt voller Wehmut melodische Seufzer vor.

23. „Rigaudon“ Der schnelle provenzalische Volkstanz soll „vigoroso“ (ital. kräftig) ausgeführt werden. Dubois bewirkt dies insbesondere durch Akzente, die den 4/4-Takt asymmetrisch in 3/8 + 3/8 + 2/8-Gruppen aufteilen.

24. „Menuet vif“ (schnelles Menuett) Die Besonderheit dieses in der Barockzeit sehr beliebten Tanzes, aus dem sich schließlich der Walzer entwickelte, liegt hier im metrischen Wechsel zwischen hemiolischen und nichthemiolischen Zweitaktgruppen in der Saxophonstimme. Im Klavierpart bewirken die anfangs beibehaltenen Hemiolen eine vorwärtsdrängende Bewegung.

25. „Intermezzo“ (Zwischenspiel) Der Begriff „Intermezzo“ wird ab dem 19. Jahrhundert für Charakterstücke, im vorliegenden Fall mit burlesker Attitüde, verwendet.

26. Warren Benson: „Cantilena“, Boosey and Hawkes 1955 W. Benson wurde 1924 in Detroit, USA, geboren. Er bedient sich verschiedener Kompositionstechniken und bevorzugt den lyrischen Ausdrucksbereich. „Ein Stück, das anklopft, bevor es eintritt“, so könnte man den Anfang von „Cantilena“ beschreiben. Über eine ostinate Klavierbegleitung mit synkopierter Rhythmik spannt sich eine jazzige Saxophonmelodie mit off-beats und Akzenten.

27. Guy Lacour: „Chanson modale“, Billaudot 1992* G. Lacour (geb.1932) zählt zu den renommiertesten französischen Saxophonisten. Er war ab 1961 Tenorist im Marcel Mule Quartett und arbeitete mehrere Jahre mit dem Ensemble de Saxophones Françaises. Viele seiner Kompositionen wurden zu Standardwerken der Unterrichtsliteratur. Das „Chanson modale“ ist polyphon gearbeitet. Der Begriff „modal“ bezeichnet die Verwendung von Tonleitermaterial aus Kirchentonarten. Im A-Teil wird die ruhige Saxophonmelodie in regelmäßigen Viertaktgruppen von einem dreistimmigen Klaviersatz begleitet. In der Reprise A‘ erklingt ein Kanon zwischen Saxophon und Klavier. Beide Formteile sind durch einen bewegteren Mittelteil voneinander getrennt.

28. Guy Lacour: „Noctilène“ (Nächtlicher Gesang), Billaudot 1984* Der Titel ist eine Wortschöpfung aus „Nocturne“ und „Cantilène“. Mit dem „Chanson modale“ hat „Noctilène“ die ABA-Form sowie die polyphone Ausarbeitung gemein. Diese ist allerdings in den harmonischen Zusammenklängen deutlich expressiver. Das viertaktige Andante-Thema wandert vom Saxophon ins Klavier. Dieser Vorgang wiederholt sich bei der Umkehrung des Themas in Intervallspiegelung. Der Moderato-Mittelteil gipfelt in einer wirkungsvollen Saxophon-Kadenz, bevor das Stück von einer ruhig ausklingende Reprise abgeschlossen wird. Auf der vorliegenden CD wurde „Noctilène“ mit Tenorsaxophon eingespielt.

* sind mit Alt- oder Tenorsaxophon spielbar